Sunday, October 23, 2011

Richard Sulik über den Rettungsschirm

Hier sind Auszüge aus einer Rede von Richard Sulik über den Rettungsschirm vor dem slowakischen Parlament.

Ich halte dies nicht für die beste Wortmeldung von Richard Sulik (der sehr viele und sehr gute Wortmeldungen gemacht hat). Begründung: er argumentiert ausschließlich vor dem Hintergrund von Slowakei-internen Gegebenheiten. Damit setzt er sich dem Vorwurf aus, "national-egoistisch" zu denken.

Das wichtigste - und nicht widerlegbare - Argument ist m. E., dass die bisherigen "Rettungspakete für Griechenland" Griechenland nur in ganz geringem Umfang geholfen haben. Über weite Strecke haben sie Griechenland geschadet!

Wie haben sie Griechenland geholfen? Ohne die Rettungspakete, vor allem ohne die massive Finanzierung des griechischen Bankensektors seitens der EZB, hätte Griechenland schon Mitte 2009 seine Zahlungsunfähigkeit anmelden müssen. Die von Papandreou mühsam aufgebaute Illusion eines "neuen Griechenlands, das allen seinen Verpflichtungen nachkommen wird“, wäre damals schon vernichtet worden. Im historischen Kontext wäre das nebensächlich gewesen, weil Griechenland seit seiner Unabhängigkeit 1821 mehr als die Hälfte der Zeit im Zustand eines Defaults war. Aber zugegebenermaßen hätte es doch geschmerzt, wenn man einen neuen Regierungschef, der in der Tat eine sehr seriöse Figur macht und möglicherweise wirklich an ein "neues Griechenland" glaubt, gleich kurz nach seinem Amtsantritt eine Niederlage beschert. Also, die bisherigen Rettungspakete hatten den Nutzen für Griechenland einer Ruferhaltung. Sonst aber nichts!

Gehen wir die Rettungspakete und deren Auswirkungen der Reihe nach durch.

Staatsanleihenkäufe seitens der EZB: angeblich 50-70 Mrd. EUR bisher. Wer hat davon profitiert? Natürlich die Verkäufer dieser Staatsanleihen, weil sie zu nahezu par verkaufen konnten. Insofern, dass zu diesen Verkäufern auch griechische Banken gehören könnten, wäre das ein indirekter Nutzen für Griechenland gewesen. Dies wird jedoch kaum der Fall gewesen sein, weil griechische Banken den Großteil ihrer Staatsanleihen bereits bei der EZB für Target-2 Finanzierungen verpfändet haben. Es ist also davon auszugehen, dass der Großteil der Verkäufer europäische Banken waren (die sich jetzt rühmen, ihr Griechenland-Risiko sehr stark reduziert zu haben). Natürlich haben diese Staatsanleihenkäufe seitens der EZB auch den Kurs gestützt, aber auch davon hatte Griechenland keine Vorteile, weil es schon seit langem keine Staatsanleihen mit Laufzeiten über 1 Jahr mehr begeben konnte.

Paket I: 65 Mrd. EUR wurden bisher ausbezahlt und davon gingen 40 Mrd. EUR direkt in die Tilgung von fällig werdenden Staatsanleihen. Wären die restlichen 25 Mrd. EUR in Griechenland geblieben, dann hätten sich die Auslandsschulden des Staates um diesen Betrag erhöhen müssen. Stattdessen sind die Auslandsschulden des griechischen Staates zwischen Ende 2008 – Mitte 2011 von 192 Mrd. EUR auf 179 Mrd. EUR gesunken. Laut Adam Riese bedeutet dies, dass nicht nur die gesamten 65 Mrd. EUR zur Tilgung von Auslandsschulden verwendet wurden, sondern zusätzlich auch noch erhebliches Inlandsvermögen.

EZB-Finanzierungen: unter dem Titel „Target-2“ hat die EZB bisher dem griechischen Bankensektor rund 100 Mrd. EUR geliehen. Davon finanzierten 50-70 Mrd. EUR Kapitalflucht von inländischen auf ausländische Bankkonten und der Rest das Leistungsbilanzdefizit. Griechenland hätte schon 2008 mit dem Eindämmen seiner Importe beginnen müssen, um seine Wirtschaft nicht weiter zu deindustrialisieren. Die EZB hat „geholfen“, dass man dies nicht tun musste. Obwohl Griechenlands Exporte im August 2011 einen Rekordmonatswert von 1.835 MEUR erreichten, betrugen sie nur 45% der Importe von 4.004 MEUR. Ein vollkommen unerträgliches Verhältnis, das in der industrialisierten Welt wohl einzigartig ist.

Also, an obigen Ziffern ist sicherlich keine wirkliche „Hilfe für Griechenland“ erkennbar. Eher großer Schaden, weil man unappetitliche Kapitalflucht und überbordende Importe von Konsumgütern ermöglicht hat.

Und dann hat man natürlich Griechenland auch massiv mit den Sparmaßnahmen geschadet. Sie folgen dem (oft auch bewährten) IWF-Konzept, dass die Sanierung eines Staatsaushaltes und Reformen in der Wirtschaft die nötigen Selbstheilungskräfte der Wirtschaft mobilisieren und zu erneutem Wachstum führen werden. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn eine Wirtschaft diese Selbstheilungskräfte hat. Griechenland hat sie nicht mehr! (vielleicht auch nie gehabt).

Deswegen wäre es in Griechenland zwingend erforderlich gewesen, die staatlichen Einsparungen (die in Griechenland bisher wirklich sehr eindrucksvoll waren: Staatsausgaben 2011 minus 6% gegenüber Vorjahr in absoluten Ziffern!), diese Staatseinsparungen mit einem parallelen Investitionsprogramm in der Privatwirtschaft zu kompensieren. Nicht mit staatlichen Hilfen und/oder Subventionen, weil diese in Griechenland rasch wieder in den falschen Taschen landen. Im Gegenteil: mit Investitionskapital, vor allem mit ausländischem Investitionskapital. Nachdem privates Investitionskapital nie aufgrund von Befehlen fließt, sondern immer nur aufgrund von Incentives, hätte die EU Griechenland Beratung zukommen lassen müssen, welche Incentives Investitionskapital nach Griechenland fließen lassen würden.

„Hätte“; „wäre“; etc? Nicht unbedingt. Alles ist immer noch möglich, nur dass das bis jetzt geflossene Steuerzahlergeld leider als „verschüttete Milch“ betrachtet werden muss. Aber es ist immer besser, man beginnt später mit den richtigen Maßnahmen als nie. Bisher ist jedoch nicht erkennbar, dass man auf EU-Ebene richtige Maßnahmen überhaupt andenkt.

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